Leseprobe

"Katzenfutter"

Christine Flory

Veröffentlichung (ePUB)

ISBN: 978-3-752983-69-2

Erscheinungsdatum: 08.08.2020 

im Buchhandel erhältlich

 

 

 

 

Als ich aufwachte, lag ich in einem Krankenhausbett – keine Ahnung warum. Im Zimmer war es dunkel, nur die Notbeleuchtung und das Licht, das aus dem Gang ins Zimmer drang, tauchten alles in eine diffuse Dämmerung. Draußen im Gang hörte man nur die Piepgeräusche der Rufklingel – das kannte ich schon von anderen Krankenhausaufenthalten.

Warum war ich hier? Wer war ich eigentlich? Ach so, jetzt erinnerte ich mich. Ich bin Polizistin und bei meinem letzten Einsatz einem Einbrecher von einem Dach aus hinterhergesprungen. Dumme Idee, aber so was mache ich halt. Immer im Dienst, immer draufhalten, bis ans Ende.

Oh, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt, Entschuldigung. Mein Name ist Paula, Paula Kommt. Und bevor hier irgendjemand dumme Witze reißt – ich bin Baujahr 1985. Mich gab es also schon vor der Serie. Mein Kopf tat weh - super! Und in meinem Arm steckte ein Zugang. Also war ich wohl schon etwas länger hier. Ich schaute mich um. Das Bett neben mir war frei – so weit so gut. Langsam setzte ich mich auf. Immerhin hatte ich einen Schlafanzug an und nicht diese blöden Engelhemden. Da hatte wohl jemand mitgedacht.

Im Sitzen pochte mein Kopf, und mir war etwas schwindelig. Alles noch im Rahmen, nach meiner letzten Boxstunde, in der mein Sparringpartner mich mit seiner Linken von den Füssen geholt hatte, ging es mir schlechter. Konnte also nicht so schlimm sein – dachte ich.

Ich stand auf und tapste auf nackten Sohlen auf den Gang. Es war kein Mensch zu sehen. Im Schwesternzimmer traf ich endlich auf einen Pfleger.

„Guten Morgen, Frau Kommt. Fantastisch, Sie sind wach! Endlich, aber rumlaufen sollten Sie noch nicht. Wie fühlen Sie sich? Mein Name ist Paul und bin heute für die Station zuständig.“

„Nur ein wenig Kopfschmerzen, nichts Schlimmes.“

„Das ist gut, wirklich. Aber bitte gehen Sie wieder ins Bett, mit einer Kopfverletzung darf man nicht spaßen. Bei einer Gehirnerschütterung kann es zu unerwünschten Nebenwirkungen wie Gedächtnisverlust und Wortfindungsstörungen kommen. Ich bringe Ihnen nachher noch etwas zu trinken. Tee oder Wasser?“ Paul fasste mich am Arm und wollte mich zurück auf den Gang bringen. Ich schüttelte ihn ab.

„Mir geht es gut, wirklich. Ein bisschen Bewegung hat noch keinem geschadet!“ In diesem Moment stürzte eine Krankenschwester zur Tür herein. „Du, Paul, ich komme gerade aus der Cafeteria. Das Gelände wurde abgeriegelt. Wir haben hier anscheinend einen Verrückten, der Menschen umbringt und abnagt. Es darf keiner raus oder rein! Stiller Alarm wurde ausgelöst, um die Patienten nicht in Panik zu versetzen!“ Paul schreckte zusammen, doch die Schwester war viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um dies wahrzunehmen. Ich schon, ging aber damals von falschen Tatsachen aus. Doch dazu später mehr. Plötzlich bemerkte sie mich und schaute mich verdattert mit großen Augen an. „O je, das tut mir jetzt aber leid, ich habe Sie erst nicht gesehen, Seit wann sind Sie wach? Ich wollte Sie nicht erschrecken! Geht es Ihnen gut?“ Ich hatte mich in der Zwischenzeit auf einen freien Stuhl fallen lassen. Ich hatte mich geirrt. Es ging doch schlimmer. „Ja, alles gut. Mein Kopf tut nur noch etwas weh. Ich bin gerade aufgewacht.“ „Und da haben Sie nichts Besseres zu tun als auf dem Gang rumzulaufen? Tse, Tse, Tse.“ Vorwurfsvoll sah sie mich an und schüttelte den Kopf. Ach, schlechtes Gewissen verbreiten? Sowas konnte ich schon in gesundem Zustand nicht leiden. Wütend schaute ich zurück. Paul kniete sich vor mich hin und sagte. „Schauen Sie mich mal an.“ Dann leuchtete er mir mit seiner kleinen Taschenlampe in die Augen. „Alles in Ordnung, Pupillen reagieren normal. Kein Hinweis auf Langzeitschäden. Sie hatten wohl nur eine Gehirnerschütterung. Aber bitte vermeiden Sie in Zukunft Sprünge vom Dach.“ – „Was ist? Ja, wir wissen alle was Sie gemacht haben. Steht alles in Ihrer Akte.“ So ein Ärger! Hätte ich auch selbst darauf kommen können!

„Ein Vorschlag zur Güte: Sie gehen wieder ins Bett. Nach zwei Wochen im Koma ist es ein Wunder, dass Sie schon wieder auf den Beinen sind. Heute Morgen bei der Visite kommt dann der Arzt und klärt alles mit Ihnen.“ „Zwei Wochen? Und ich soll mich wieder hinlegen? Ich bin Polizistin. Wenn es stimmt, ist ein Mörder im Krankenhaus unterwegs. Ich bin hier die Einzige, die vielleicht etwas tun kann. Ich ziehe mich jetzt an, und dann muss ich Kontakt zu meiner Dienststelle aufnehmen. Mein Partner muss wissen, dass es mir gut geht und ich helfen kann. Hiermit schreibe ich mich selbst wieder gesund!“ Paul hob beschwichtigend die Hände. „Das ist keine gute Idee. Schon vergessen? Sie waren zwei Wochen weggetreten. Sie müssen sich schonen. Ihr Partner hat sie hier eingeliefert und Ihnen Ihre Sachen vorbeigebracht. Er weiß, dass Sie hier in guten Händen sind. Wenn Sie jetzt zu viel machen, könnten Sie wieder bewusstlos werden. Sprechen Sie mit dem Arzt während der Visite, auf der Station selbst haben wir während der Nachtschicht keinen.“ „Na gut, ich werde warten, aber nicht lange. Schon vergessen, draußen läuft ein Mörder frei herum!“ Damit drehte ich mich um und schlurfte in mein Zimmer zurück. Mist! So fertig war ich schon lange nicht mehr. Zwei Wochen bewusstlos! Warum nur musste das ausgerechnet mir passieren? Ach so, so bin ich halt. Ihr wisst schon.